Auf Einladung des Pforzheimer FDP-Abgeordneten und Spitzenkandidaten seiner Partei zur Landtagswahl Hans-Ulrich Rülke hatte sich eine illustre Runde zu einem Online-Expertentalk zur Frage, wie es mit der baden-württembergischen Wirtschaft in der Coronakrise weitergehen soll zusammengefunden.
Unter der Moderation von Johanna Hasting von der liberalen Friedrich-Naumann-Stiftung diskutierten neben Rülke zu diesem Thema die beiden Wirtschaftsminister der Länder Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein Volker Wissing und Bernd Buchholz, der Enzkreisabgeordnete der FDP und Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Landtag Erik Schweickert, die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbandes Baden-Württemberg Sabine Hagmann und der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands Baden-Württemberg (Dehoga) Fritz Engelhardt.
Engelhardt berichtete über Wut und Verzweiflung in seiner Branche, insbesondere beim getränkeorientierten Teil seines Gewerbes. Bei den Hilfen gebe es träge Verwaltungsabläufe. Es sei für ihn auch nicht nachvollziehbar, dass gerade seine Branche geschlossen wurde, obwohl bekannt sei, dass die meisten Infektionen im privaten Bereich vorkämen.
Auch Sabine Hagmann klagte über Milliardeneinbrüche beim Handel sowie eine fehlende Öffnungsperspektive.
Erik Schweickert untermauerte die Kritik. Im Lande seien mittlerweile 2,4 Milliarden Euro an Soforthilfen ausbezahlt worden. Im Gastrogewerbe seien hingegen die November- und Dezemberhilfen noch nicht angelaufen und die Hilfen für den Handel vielfach noch in der Bearbeitung.
Bernd Buchholz berichtete, dass es in Schleswig-Holstein einen Perspektivplan gebe. Es sei zu wenig, sich von Lockdown zu Lockdown zu tasten. Da entstehe der Eindruck von Willkür. Man habe im Norden eine Wenn-Dann-Strategie entwickelt. Viele Politiker seien aus seiner Sicht zu sehr inzidenzfixiert. Neben der Beratung durch Virologen bedürfe es auch des Rats von Psychologen, Soziologen und Ökonomen. Die Krise verursache neben dem berechtigten Blick auf die Gesundheit der Menschen eben auch soziale und wirtschaftliche Folgeschäden. Deshalb brauche es eine klare Wenn-dann-Regelung, so dass die Menschen Orientierung und Hoffnung bekämen.
Volker Wissing unterstützte diese Position. Der Lockdown sei vielleicht notwendig, aber er vermisse den Blick auf die Schäden. Es gebe Selbstmorde, ausfallende Bildung, kulturellen Kahlschlag und vor allem enorme Schäden für die Wirtschaft. Beide Minister betonten, dass Grundrechtseingriffe durch die Politik immer wieder auf ihre Verhältnismäßigkeit hin überprüft werden müssten.
Hagmann beklagte ein „Sonderopfer“ von Handel und Gastrogewerbe. Man habe viel Geld für Hygienekonzepte ausgegeben und trotzdem keine Perspektive. Ohne klare Öffnungsperspektive würden wir in Baden-Württemberg 12.000 von 20.000 Betrieben im Handel verlieren.
Engelhardt schlug für seine Branche einen Stufenplan vor. Zunächst die Öffnung von Kantinen und Campingplätzen, dann die Speisegastronomie und dann die Bars.
Die zahlreich mitdiskutierenden Zuschauer hatten die Möglichkeit, über die Chatfunktion Fragen zu stellen.
Rülke wurde etwa gefragt, welche Pläne er im Falle eines Wahlsieges im März zu realisieren gedenke. Rülke mahnte ein Öffnungskonzept im Sinne Schleswig-Holsteins an. Vor allem brauche es Berechenbarkeit und Nachvollziehbarkeit. Man könne nicht Ausgangssperren für Baden-Württemberg mit der Begründung eines Inzidenzwerts von 200 verhängen und sie bei landesweit 60 immer noch aufrecht halten. „Ich fordere die Aufhebung der Ausgangssperren!“ So der FDP-Spitzenkandidat. Darüber hinaus müssten bei einer Inzidenz von in einer Woche stabil unter hundert die Kitas und Grundschulen öffnen, bei unter 50 die Restaurants und der Handel und bei unter 35 sämtliche Schulen und es müssten auch Sport- und Kulturveranstaltungen wieder möglich werden.