Liberaler lehnt flächendeckendes Tempo 30 ab, sieht aber Handlungsbedarf an neuralgischen Punkten
Groß war Mitte Februar der Ärger in Ölbronn-Dürrn. Im freiwilligen Lärmaktionsplan hatte die Gemeinde nahezu im gesamten Ölbronner Ortskern und einen deutlich verlängerten Bereich in Dürrn für Tempo 30 vorgeschlagen. Übrig blieben davon nach der ersten Stellungnahme des Landratsamts nur noch zwei kleinere Abschnitte. Alle anderen Vorschläge hatte die Verkehrsbehörde nicht genehmigt. Beispiele wie dieses finden sich im gesamten Enzkreis, umso überraschender fällt deshalb die Antwort auf eine Kleine Anfrage (Drs. 17/4435) des FDP-Enzkreisabgeordneten Prof. Dr. Erik Schweickert aus. Darin teilt Verkehrsminister Winfried Hermann mit, welche Auskunft sein Ministerium zu bisher abgelehnten Maßnahmen von der Kreisverwaltung erhalten hat: „Nach Angabe des Landratsamts Enzkreis erfolgten bislang keine förmlichen Ablehnungen von Maßnahmen in Lärmaktionsplänen.“ Abweichungen vom Lärmaktionsplan könne es allerdings geben, wenn der Plan ermessensfehlerhaft sei, denn dann müsse „die Straßenverkehrsbehörde nach eigenem Ermessen entscheiden“. Aus Sicht Schweickerts ein Winkelzug des Landratsamts, um nicht eingestehen zu müssen, dass ein Großteil der von den Kommunen gewünschten Lärmschutzmaßnahmen nicht umgesetzt wird. „Das Landratsamt erklärt nichts anderes, als dass nach seiner Auffassung die Gemeinden und mithin auch die mit der Erstellung der Lärmaktionspläne beauftragten Fachbüros die aktuelle Rechtslage falsch auslegen und man deshalb nach eigenem Ermessen entscheiden muss. Für diejenigen, die monatelang mit der Erstellung der Pläne beschäftigt sind, muss das wie ein schlechter Scherz klingen, vor allem, wenn aus einer Vielzahl vorgeschlagener Maßnahmen nicht einmal eine Handvoll umgesetzt werden kann. Dabei geht es ja nirgendwo darum, pauschal Tempo 30 anzuordnen, sondern genau da, wo es Sinn macht und andere Maßnahmen nicht ausreichen“, macht Schweickert deutlich.
Auch die Tatsache, dass seit 2019 eine ganze Reihe neuer Tempo 30 Abschnitte angeordnet und Fahrbahnsanierungen mit lärmarmen Asphalt sowie passive Lärmschutzmaßnahmen durchgeführt wurden, kann aus Sicht des Enzkreisabgeordneten nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Praxis viel mehr von den Bürgerinnen und Bürgern gewünscht und erwartet wurde, zumal fast die Hälfte der Streckenabschnitte mit bereits angeordneten neuen Geschwindigkeitsbeschränkungen in der großen Kreisstadt Mühlacker liegt, die eine eigene Verkehrsbehörde besitzt.
Unterstützung der bisherigen Verweigerungshaltung des Landratsamts durch das Land gibt es jedoch nicht. Stattdessen macht Verkehrsminister Winfried Hermann mit Bezug auf den neuen Kooperationserlass-Lärmschutz klar, dass die Ermessensausübung sich nun stärker am Gesundheitsschutz der Lärmbetroffenen orientieren soll. Nicht einmal vor nahezu flächendeckenden Geschwindigkeitsbeschränkungen fürchtet sich der grüne Minister. Sollte dies notwendig sein „verdeutlicht dies den dringenden Bedarf, den Straßenverkehrslärm so zu verringern, dass keine gesundheitskritischen Lärmbelastungen auftreten“, so die lapidare Antwort auf die von Enzkreisdezernent Holger Nickel nach Bekanntwerden des neuen Erlasses geäußerten Befürchtungen.
Flächendeckende Beschränkungen lehnt zwar auch Schweickert entschieden ab, sieht aber nun die Enzkreisbehörde am Zug, endlich auf die Wünsche der Kommunen zu hören, statt besserwisserisch nach eigenem Gutdünken zu entscheiden. Handlungsbedarf dürfte es spätestens mit der in Kürze anstehenden Veröffentlichung der Lärmkartierung an Hauptverkehrsstraßen geben und noch ein Faktor dürfte künftig für besseren Lärmschutz sprechen, denn bei der Beurteilung der Lärmaktionspläne gelten künftig die neuen Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen – RLS 19. „Ich erwarte und gehe nach den jüngsten Äußerungen des Landrats bei der Verkehrskonferenz des Enzkreises davon aus, dass sich die Verkehrsbehörde des Kreises den neuen Anforderungen fügen wird. Davon werden die vielen lärmgeplagten und bisher oftmals enttäuschten Bürgerinnen und Bürger an den neuralgischen Punkten im Enzkreis profitieren, ohne flächendeckend Tempo 30 einführen zu müssen“, so Schweickert abschließend.