Pünktlichkeit auf Residenzbahn verschlechtert sich 2022 Schweickert fordert Kehrtwende und sieht Land in Verantwortung

Nachdem die Pünktlichkeit der Züge auf der Residenzbahn in den ersten zweieinhalb Jahren seit dem Betreiberwechsel Mitte 2019 stetig verbessert werden konnte, gab es 2022 einen deutlichen Bruch der positiven Entwicklung, teilt der FDP-Enzkreisabgeordnete und Sprecher des Aktionsbündnisses „Qualitätsoffensive für die gesamte Residenzbahn“ Prof. Dr. Erik Schweickert mit. Noch im vergangenen Jahr hatte er von einer Stabilisierung der Pünktlichkeiten auf weiterhin nicht zufriedenstellendem Niveau gesprochen. Nun gebe es jedoch einen schweren Rückschlag. „Wenn in einzelnen Monaten nur rund die Hälfte aller Züge ihren Endhalt pünktlich erreicht, ist das schlicht nicht akzeptabel. Seit Jahren fordern wir nun die Einhaltung der vertraglich festgelegten Ziele und trotzdem geht es nicht voran. Nicht einmal die landeseigene Gesellschaft bekommt es hin, auch wenn der grüne Verkehrsminister die Leistung der SBS schönzureden versucht“, findet Schweickert deshalb deutliche Worte.

Als Gründe für die Rückschläge nennt Verkehrsminister Winfried Hermann in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage (Drucksache 17/3492) des Liberalen insbesondere Mängel an der Infrastruktur, ein hohes Baustellenaufkommen mit stark verspäteten Informationen durch den Infrastrukturbetreiber und Verspätungsübertragungen durch den Fernverkehr. Auch die Auswirkungen des 9-Euro-Tickets und zahlreiche Langsamfahrstellen, bedingt durch das Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen und die hohen Temperaturen, seien Gründe für die Einbußen. Personelle Engpässe, die in der Vergangenheit häufig für Verspätungen und Zugausfälle gesorgt hatten, seien 2022 sowohl bei Go Ahead (IRE 1) als auch der SBS (RB 17) kaum aufgetreten. Hermann konstatiert dementsprechend, dass es zwar noch weiteres Verbesserungspotenzial bei den beiden Eisenbahnverkehrsunternehmen gebe, insbesondere aber die Deutsche Bahn als Eigentümer der Infrastruktur für die diesjährigen Probleme verantwortlich sei. Dies darf nach Ansicht Schweickerts allerdings keine Ausrede sein. „Die Erwartung, dass personalbedingte Ausfälle und Verspätungen weiter minimiert werden müssen, ist vollkommen richtig. Der Verkehrsminister darf sich aber nicht hinter den Fehlern der Deutschen Bahn als Infrastrukturinhaber verstecken. Das Land muss der Deutschen Bahn deutlich zu verstehen geben, dass es so nicht geht“, macht der Enzkreisabgeordnete klar.

Wie schon in den Vorjahren ist zu beobachten, dass die Pünktlichkeit an den Zwischenhalten deutlich besser als an den Endhaltepunkten ausfällt. Beispielsweise erreichten die Züge der RB/RE 17 den Bahnhof Mühlacker bis auf zwei knappe Ausnahmen im Juni und Juli zu mindestens 80 % im Rahmen der noch als pünktlich geltenden 3:59 Minuten. Der Spitzenwert in Pforzheim lag demgegenüber bei 78,31 % im Januar, fiel dann bis Juli jedoch auf einen Negativwert von nur noch 56,4 %. Noch schlechter sieht es dort beim Endhalt in Stuttgart aus. Auch hier wurde der Spitzenwert von 77,29 % im Januar erreicht, fiel dann jedoch sogar auf nur noch 52,98 % im September.

Häufig erreichte Go Ahead mit dem IRE 1 in der Vergangenheit bessere Zahlen als sein vormaliger Konkurrent Abellio. Aber diese Tendenz wurde nach dessen Verkauf gebrochen. Als besonders katastrophal erwies sich für den IRE 1 insbesondere die Mitte des Jahres. Beispielsweise erreichten in den Monaten Juli und August nicht einmal die Hälfte der Züge ihr Ziel in Karlsruhe pünktlich. Nicht besser sieht es in die Gegenrichtung aus. Auch dort konnten im Juni nur 44,51 % und im Juli gar nur 43,67 % der Züge Stuttgart pünktlich erreichen. Selbst die Zwischenhalte in Pforzheim und Mühlacker wurden nach Einführung des 9-Euro-Tickets im Juni nur von ca. zwei Drittel aller Züge pünktlich erreicht. Aber auch nach dem Ende des günstigen Tickets verbesserte sich dies nur marginal. Gäbe es keinerlei Toleranzen bei der Pünktlichkeit würden bei Go Ahead gar nur ca. 35 % aller Züge als pünktlich gelten. Nur wenig besser sähe es bei Abellio/SBS mit knapp 40 % aus.

Wie schon in den Vorjahren schneidet die AVG Linie S 5 noch am besten ab. Dort erreichten bis auf eine Ausnahme immerhin konstant über 80 % aller Züge den Halt Wilferdingen-Singen pünktlich. Einen stabilisierenden Effekt sieht das Verkehrsministerium hier durch die Inbetriebnahme des Stadtbahntunnels in der Karlsruher Innenstadt. Trotzdem liegt auch dies weit unter der Zielpünktlichkeit von 90 %.

Zugenommen haben auf der Residenzbahn allerdings auch die Zugausfälle, die nicht in die Pünktlichkeitsstatistik hineinfallen. Auch hier lässt sich im Laufe des Jahres eine negative Entwicklung erkennen, wobei der Oberleitungsschaden am Stuttgarter Hauptbahnhof für einen besonders unrühmlichen Ausreißer sorgt. So fielen im Juli bei der SBS insgesamt 651 Züge durch Fremdverschulden aus. 13,8 % aller Zugkilometer konnten so nicht gefahren werden.

Die Schlechtleistungen der Eisenbahnverkehrsunternehmen haben zudem auch handfeste finanzielle Folgen. So verloren Abellio und Go Ahead für das Jahr 2021 zusammengenommen rund 2,6 Mio. Euro durch Minderungen und Strafzahlungen. Angesichts der verschlechterten Leistungen im Jahr 2022 sei für dieses Jahr wieder mit deutlich höheren Zahlungen zu rechnen, macht Schweickert schließlich darauf aufmerksam, dass die Probleme sowohl für die Fahrgäste wie auch für die Betreiber negative Folgen haben.