Zahlen aus Ellwangen zeigen, dass Zuweisungen kommen werden, auch wenn CDU-LEA mit vollständiger Privilegierung beschlossen werden sollte
Pforzheim/Stuttgart/Ellwangen. Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion und Pforzheimer Abgeordnete Dr. Hans-Ulrich Rülke hat bei der Landesregierung die Ausgestaltungen sogenannter LEA-Privilegien erfragt, bei denen Kommunen im Gegenzug für die Bereitschaft, Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes für die Unterbringung Geflüchteter auf deren Gemarkung zu akzeptieren, weniger geflüchtete Menschen nach dem Königsteiner Schlüssel zugeteilt werden (Drucksache 17/4336 anbei).
„Ich bin etwas erstaunt, dass Justizministerin Marion Gentges dem Pforzheimer Publikum erklärt hat, Pforzheim bekomme keine weiteren Zuweisungen Geflüchteter, falls die CDU-LEA kommt. Aus ihrer Antwort an mich geht nämlich klar hervor, dass man in Pforzheim nicht erwarten braucht, dass es keine weitere Zuweisung von Geflüchteten gibt, wenn die CDU-LEA am kommenden Dienstag beschlossen werden sollte“, so Rülke. „Die Zahlen aus Ellwangen, wo es ein 100-Prozent-Privileg gibt, sind trotz des Privilegs nicht null. Im Jahr 2022 wurden dennoch 68 Personen zugewiesen.“ Eine Begründung dafür habe die Justizministerin dem Abgeordneten mitgeliefert:
„Die Zuweisungen für den Ostalbkreis [Ellwangen] und den Landkreis Sigmaringen erfolgten entweder aus zwingenden Gründen (Kernfamilie oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht, vgl. § 50 Abs. 4 S. 4 AsylG) oder auf freiwilliger Basis nach Absprache mit dem Kreis (z.B. bei sonstigen familiären Verwandtschaftsverhältnissen, mit Bezug zum Kreis)“ heißt es in der Antwort auf Rülkes parlamentarische Initiative.
„Die 68 Personen sind zwar viel weniger, als die Aufnahmeverpflichtung nach dem Königsteiner Schlüssel wären, sie betreffen aber einen für Pforzheim hochrelevanten Bereich: Jene, die aufgrund von Familienzusammenführungen zusammengebracht werden. Das entspricht der aktuellen Rechtslage.“ Lege man die aktuelle Ausländerquote Pforzheims mit 28,7 Prozent zu Grunde, dürfe erwartet werden, dass hier wesentlich mehr solcher Fälle wären, als anderswo in Baden-Württemberg, wo die Ausländerquote insgesamt nur bei 16,4 Prozent liege.
Im Jahr 2022 kamen die meisten Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und dem Irak. Gemäß der Sozialdatenberichterstattung der Stadt (R 1236 anbei) gebe es für diese Länder auch Topwerte bei der Verteilung der Nationalitäten in Pforzheim.
„Spitzenreiter ist die Türkei. Der Irak und Syrien sind aber ebenfalls sehr weit vorne vertreten“, so Rülke. „Insbesondere hinsichtlich der großen Gruppe aus dem Irak habe ich bereits vor Jahren vom Land gefordert, eine negative Wohnsitzauflage zu ermöglichen, um große Ansammlungen einzelner Nationalitäten zu vermeiden, da dies ein Integrationshemmnis darstellt (Drucksache 16/2931 anbei). Darauf ist Innenminister Thomas Strobl aber genau so wenig eingegangen, wie auf die Forderung, die Anzahl der im Abschiebegefängnis befindlichen Personen zumindest zum Teil auf die Zuweisungen nach Pforzheim anzurechnen.
Ich halte fest: Bislang ist das Land der Stadt Pforzheim bei den besonderen Herausforderungen hinsichtlich der Sozialstruktur nicht entgegengekommen, das LEA-Privileg funktioniert nur so lange, wie das Asylgesetz nicht gegenteiliges etwa durch Familienzusammenführungen vorsieht und wenn es eine hohe Zugangslage gibt, behält sich das Land vor, zwar mit der Stadt zu sprechen, aber dennoch so viele Menschen in der CDU-LEA unterzubringen, wie es die Landesregierung eben für erforderlich hält. Da bleibt von den vermeintlichen Vorteilen aus meiner Sicht so wenig übrig, dass der Gemeinderat die CDU-LEA am kommenden Dienstag ablehnen sollte“, so Rülke abschließend.
Hintergrund:
Der von der Ministerin zitierte § 50 Abs. 4. S. AsylG enthält folgenden Wortlaut: Bei der Zuweisung sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen im Sinne des § 26 Absatz 1 bis oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen.
Die häufigsten Nationalitäten in Pforzheim können der Tabelle auf S. 29 in beigefügter Vorlage R 1326 entnommen werden.
In Drucksache 16/2931 wird die lageangepasste Wohnsitzregelung thematisiert, die in Niedersachsen u.a. für die Stadt Salzgitter beschlossen wurde. Damaliger Hintergrund war, dass Salzgitter über die hervorragende Flüchtlingsarbeit in die Situation kam, dass die Stadt bei Geflüchteten so beliebt wurde, dass die Strukturen aufgrund von Überlastungen zu zerbrechen drohten. Pforzheim wies einen ähnlichen Pull-Faktor auf, da viele irakische Jesiden in Pforzheim sesshaft wurden, was für neu ankommende irakische Jesiden attraktiv war. Dazu Innenminister Strobl in der Antwort: „… nicht erforderlich, von der negativen Wohnsitzauflage Gebrauch zu machen und bestimmte Kommunen von der Verteilung von Schutzberechtigten auszunehmen.“