Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion und Pforzheimer Abgeordnete Dr. Hans-Ulrich Rülke hat sich mit einer Parlamentarischen Initiative (Drucksache 17/3870 siehe Anlage) an die Landesregierung gewandt, um einige Sachverhalte hinsichtlich der von der CDU geplanten Erstaufnahmeeinrichtung für jährlich ca. 12.000 Flüchtlinge im Brötzinger Tal klären zu lassen.
„Ich habe nach den Möglichkeiten des Gemeinderats gefragt, über die Nutzung des leerstehenden Bader-Logistikzentrums zumindest mitbestimmen zu können“, so Rülke. Das betreffe insbesondere die mögliche Ausübung eines Vorkaufsrechts, die Möglichkeiten, die das Baurecht vorsehe, etwa mit den Mitteln der Bebauungsplanaufstellung sowie auf Grundlage des grundgesetzlich garantierten Selbstverwaltungsrechts der Kommunen.
„Allen Unkenrufen zum Trotz hat der Gemeinderat gemäß der Antworten der Landesregierung weitreichende Möglichkeiten, auf die Entwicklung des Gebiets einzuwirken. Wir können im Gemeinderat Beschlüsse fassen, die ein Vorkaufsrecht begründen und einen Bebauungsplan aufstellen, der etwas anderes als eine Erstaufnahmeeinrichtung vorsieht. Ich strebe an, dass wir im Gemeinderat diese Möglichkeiten vollumfänglich diskutieren. Es kann aus meiner Sicht nämlich nicht sein, dass ohne demokratische Legitimation durch einen Gemeinderatsbeschluss die CDU ihren Willen bekommt, im Brötzinger Tal jedes Jahr eine fünfstellige Zahl an Flüchtlingen unterzubringen. So eine weitreichende Entscheidung muss demokratisch im Gemeinderat getroffen werden, der die gesamte Pforzheimer Bevölkerung repräsentiert und nicht nur jene, die CDU gewählt haben!“, so der Liberale.
Das Vorkaufsrecht
Hinsichtlich der Debatte, ob die Stadt ein Vorkaufsrecht geltend machen könne, stelle sich laut Landesregierung der Sachverhalt lange nicht so eindeutig dar, wie vom städtischen Rechtsamt behauptet, so Rülke:
„Ich habe mehrere Fragen zum Vorkaufsrecht prüfen lassen. Zunächst einmal gilt dieses nicht, wenn Immobilien innerhalb der Familie verkauft werden. Presseberichten zufolge wurde die Immobilie zwar innerhalb der Familie, allerdings an eine GmbH in Gründung verkauft. Deshalb habe ich gefragt, ob der Ausschluss des städtischen Vorkaufsrechts bei Verkäufen zwischen Familienangehörigen auch juristische Personen umfasst. Die Antwort der Landesregierung: „Sind Vertragsparteien dagegen Gesellschaften, an denen Familienangehörige beteiligt sind, wird ein bestehendes Vorkaufsrecht nicht ausgeschlossen.“ Das bedeutet, der Gemeinderat kann dies geltend machen. Genau das streben ich und die FDP-Gemeinderatsfraktion an. Der Antrag der FDP-Gemeinderatsfraktion, die Immobilie in städtischen Besitz zu überführen, sollte deshalb rasch im Gemeinderat behandelt werden.“ Das Vorkaufsrecht zu begründen sei jedoch an weitere Bedingungen geknüpft, die Rülke ebenfalls erfragt habe. Eine solche sei durch die Maßgaben des Bebauungsplans gegeben. „Aktuell ist im Brötzinger Tal ein Gewerbegebiet ausgewiesen, weshalb gemäß der Antworten von Justizministerin Marion Gentges (CDU) ein Vorkaufsrecht nicht greife. Das habe ich bereits erwartet, weshalb ich nach der Möglichkeit gefragt habe, ob der Gemeinderat einen Zweck definieren kann, der dies ermöglicht“, so Rülke. In der Antwort der Landesregierung heiße es hierzu:
„Um ein Vorkaufsrecht nach § 24 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Baugesetzbuch zu begründen, müsste die Stadt den Bebauungsplan ändern und für die in Rede stehenden Flächen eine Nutzung für öffentliche Zwecke festsetzen.“
„Ich schließe hieraus, dass wir im Gemeinderat eine Bebauungsplanänderung herbeiführen können, die eine Nutzung für öffentliche Zwecke festsetzt und dann der Gemeinderat Herr des Verfahrens wird und ein Vorkaufsrecht begründen kann. Ich fordere, dass im Gemeinderat genau hierüber diskutiert wird!“, so Rülke.
Weiterhin bestehe für die Stadt Pforzheim die Möglichkeit, gemäß § 25 BauGB ein besonderes Vorkaufsrecht zu begründen. Hierfür bedürfe es eines Konzepts der Gemeinde, das hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung nachvollziehbar sein müsse. „Hierzu zählen alle Maßnahmen, die einen städtebaulichen Bezug aufweisen und dazu dienen, die Planungsvorstellungen der Gemeinde zu verwirklichen und die über die Vorkaufssatzung gesichert werden sollen“, heißt es in der Antwort der Landesregierung auf Rülkes parlamentarische Initiative.
„Auch das ist eine Möglichkeit, wie der Gemeinderat Einfluss nehmen kann und ich erwarte, dass die Stadtverwaltung den Gemeinderäten transparent und verständlich darlegt, welche Möglichkeiten der Gemeinderat hier hat.“
Kann der Gemeinderat also vollumfänglich darüber bestimmen, ob eine LEA kommt oder das Gebiet anders entwickelt wird?
In der öffentlichen Wahrnehmung sei der Eindruck entstanden und vermittelt worden, die Stadt habe keinen Einfluss auf die Entscheidung, nachdem CDU-Vertreter dem Land Pforzheim als LEA-Standort angeboten hätten. Auch hierzu habe Rülke die Landesregierung befragt.
„Es stimmt nicht, dass die Stadt und der Gemeinderat keinen Einfluss haben sollen. Ich wollte wissen, ob die Landesregierung von den Ausnahmemöglichkeiten, die das Recht zum aktuellen Stand vorsieht, einen LEA-Standort auch gegen den Willen des örtlichen Gemeinderates durchzusetzen, Gebrauch machen würde, sofern der Gemeinderat sich gegen eine LEA im Brötzinger Tal ausspricht“, so Rülke. „Mir wurde daraufhin geantwortet, dass das Ziel der Regierung sei, ein Einvernehmen mit den Standortkommunen herzustellen, was bislang auch in jedem Fall gelungen sei. Daraus schließe ich, dass das Land zunächst nicht die Absicht hat, eine LEA gegen den Willen einer Ratsmehrheit durchzusetzen. Der Gemeinderat sollte also bis zur Sommerpause die Gelegenheit erhalten, über die Einrichtung abzustimmen“, so Rülke.
„Eine Hintertür lässt sich Ministerin Gentges hingegen offen. Gemäß § 1 Satz 3 der Verordnung des Integrationsministeriums über die Einrichtung weiterer Landeserstaufnahmeeinrichtungen ist die Herstellung von Einvernehmen zwischen der Gemeinde und dem Land nicht Voraussetzung für die Einrichtung einer LEA.
Zusammenfassend lasse sich sagen: „Der Gemeinderat kann über die LEA abstimmen. Der Gemeinderat kann die Immobilie der geplanten LEA auch kaufen. Der Gemeinderat kann über eine Bebauungsplanänderung auch eine LEA ausschließen.“
Ob das Land dennoch den Versuch unternehmen würde, die Kommune zu zwingen, müsse sich zeigen, so Rülke abschließend.