Strobl verweist auf Bruttopersonalstärke, obwohl Netto deutlich weniger Personal verfügbar ist
Auch im zweitsichersten der 35 Landkreise Baden-Württembergs ist, wenn es um die Polizei geht, nicht alles Gold was glänzt. Insbesondere in Sachen Stellenbesetzung gibt es im Enzkreis teilweise großen Nachholbedarf, teilt der FDP-Enzkreisabgeordnete Prof. Dr. Erik Schweickert mit. Nachdem ihm immer wieder Berichte über personelle Unterbesetzungen einiger Polizeiposten und daraus resultierender langer Wartezeiten zugegangen waren, konnte der Liberale im Rahmen zweier Anfragen an die Landesregierung (Drs. 17/3855; 17/4204) nun konkrete Zahlen zur Personalsituation der Polizei im Enzkreis in Erfahrung bringen. Dabei auffallend: Die Diskrepanz zwischen den laut Haushaltsplan vorhandenen Stellen, den besetzten Stellen und dem tatsächlich zur Verfügung stehenden Personal ist teilweise beträchtlich. „Von der so oft von Innenminister Strobl propagierten Einstellungsoffensive ist zumindest aus dieser Perspektive bisher wenig zu sehen. Zusätzlicher Personalbedarf ist offensichtlich. Es bleibt abzuwarten, ob der nach Ministeriumsangaben ausreichende polizeiliche Nachwuchs tatsächlich dazu führt, aktuelle Lücken zu schließen“, kommentiert Schweickert die Ergebnisse seiner Anfragen.
Bis auf das Polizeirevier Neuenbürg waren zum Stichtag 01. Januar 2023 an allen Revieren mit Zuständigkeit für den Enzkreis noch Stellen unbesetzt. Von insgesamt 80 Stellen im Polizeirevier Mühlacker inklusive der Polizeiposten in Heimsheim, Illingen, Maulbronn und Niefern-Öschelbronn waren beispielsweise nur 73 besetzt. Personal fehlte nicht nur in der Dienststelle in Mühlacker, sondern auch an den Polizeiposten Heimsheim und Maulbronn. Auch im Revier Pforzheim-Nord mit den Polizeiposten in Kieselbronn und Königsbach-Stein waren von 103 Stellen nur 96 besetzt, während im Polizeirevier Pforzheim-Süd von 83 Stellen zusammengefasst nur eine nicht besetzt war. Im Gegensatz dazu war das Polizeirevier Neuenbürg gar überbesetzt. Dort betrug die Bruttopersonalstärke insgesamt 65 Personen während dort eigentlich nur 51 Stellen im Haushalt stehen.
Von der Bruttopersonalstärke getrennt betrachtet werden muss jedoch die Nettopersonalstärke, die die Zahl bzw. unter Bezug auf Vollzeitäquivalente den Arbeitsumfang der tatsächlich in den Dienststellen beschäftigten Personen anzeigt. Langzeiterkrankte Beamtinnen und Beamte werden in der Nettopersonalstärke ebenso wenig erfasst, wie diejenigen in Mutterschutz und Elternzeit, oder auch langzeitabgeordnete Polizeiangehörige. Hieraus resultieren schließlich noch deutlichere Unterschiede zum eigentlichen Haushaltssoll. So betrug die Nettopersonalstärke gerechnet auf Vollzeitäquivalente innerhalb des Polizeireviers Mühlacker nur 62,1 statt 80, in Pforzheim-Nord nur 79,8 statt 103 und im Revier Pforzheim-Süd noch 64 statt 83. Selbst im Revier Neuenbürg war zum Stichtag mit einer Nettopersonalstärke von 53,8 nur noch ein im Vergleich zum Haushaltssoll von 51 leichter Personalüberschuss zu verzeichnen. „Die Nettopersonalstärke zeigt deutlich, wie wichtig ein ausreichender Personalbestand ist. Der Innenminister muss dafür Sorge tragen, dass vorhandene Stellen besetzt sind. Es kann nicht sein, dass teilweise wie am Polizeiposten Heimsheim zwar offiziell fünf Stellen vorhanden sind, in der Praxis dann aber zusammengefasst nur drei Personen zur Aufgabenerfüllung da sind. Eine solche Belastung ist auch für die Beamtinnen und Beamten auf Dauer nicht tragbar. Gleichzeitig schwächt es das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei, wenn hierdurch lange Wartezeiten entstehen“, beschreibt Schweickert die Problematik.
Die Herausforderungen werden zudem nicht kleiner. Denn nachdem die Corona-Pandemie für einen Rückgang der Polizeieinsätze gesorgt hatte, steigen die Einsatzzahlen im Enzkreis seit dem Auslaufen der Corona-Maßnahmen teilweise sehr deutlich an. Das Gebiet des Polizeireviers Neuenbürg sticht besonders hervor. Gab es dort 2020 noch 4.778 Einsätze, waren es im vergangenen Jahr schon 6.507. Ein Anstieg von über 36 Prozent. Im ganzen Enzkreis stiegen die Einsatzzahlen von 2020 bis 2022 um 15,4 Prozent. Insgesamt gab es 2022 18.016 Polizeieinsätze im Enzkreis, während es 2020 noch 15.612 waren.