Rülke und Schweickert: Bahnpünktlichkeit auf Residenzbahn desaströs

2018 fast 600 Zugausfälle zwischen Karlsruhe und Stuttgart – Hermann schiebt Schuld auf Bund

Pforzheim/Enzkreis. Mit einer harten Schuldzuweisung von Verkehrsminister Hermann beginnt die Antwort auf eine Parlamentarische Initiative (Drucksache 16/5803) des Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion und Pforzheimer Abgeordneten Dr. Hans-Ulrich Rülke sowie des FDP-Enzkreisabgeordneten Prof. Dr. Erik Schweickert hinsichtlich der Pünktlichkeitswerte der Deutschen Bahn zwischen Karlsruhe und Stuttgart sowie Bruchsal und Stuttgart. Hermann habe die Antwort mit einem Kurzreferat über die verantwortungslose Vernachlässigung des Bundes für die baden-württembergische Schieneninfrastruktur begonnen, bevor er die täglichen Leiden der Pendler in Zahlen gefasst habe, so Rülke und Schweickert. „Diese Zahlen lesen sich nämlich verheerend. Im Fernverkehr lag die mittlere Ankunftsverspätung zwischen 2017 und 2019 bei gut vier Minuten und im Schnitt sind pro Tag zwei Fernzüge komplett entfallen.“ Dabei habe sich die ohnehin schon schlechte Ankunftspünktlichkeit innerhalb dieses Zeitraums um durchschnittlich 6,5 % weiter verschlechtert.

Im Regionalverkehr zeichne sich ein noch schlechteres Bild ab. Für 2018 habe die Ankunftspünktlichkeit bei 84 % gelegen, im laufenden Jahr liege sie bei 87 %. „Das heißt aber nicht, dass diese gut 80 % tatsächlich pünktlich waren, sondern nur, dass sie jeweils weniger als sechs Minuten Verspätung hatten“, so Rülke und Schweickert. Bei „nur“ 05:59 min Verspätung zähle der Zug noch als pünktlich. Zudem seien 2017 knapp 500 Züge und 2018 ganze 559 Züge ausgefallen. Dieses Jahr sei man bis zum 10. März bereits bei knapp 50 Ausfällen angelangt. „Uns wundert schon, dass es ganz offensichtlich jegliche Bemühungen nicht fruchten, diese seit Jahren verheerende Bilanz zu verbessern“, so die beiden Liberalen. „Wir fordern Verkehrsminister Hermann deshalb auf, hier mit dem Nachdruck gegenüber der Bahn aufzutreten, diese unhaltbaren Zustände endlich zu beseitigen!“

Als Ursachen für die ganzen Ausfälle und Verspätungen werden Gründe der Zugfolge, Störungen an den Triebzügen sowie Umlauf- und Einsatzplanung aufgeführt. „Insgesamt wird hier ein buntes Versagens-Potpourri aufgezählt, das von Problemen an den Zügen selbst, Fehlern in der Disposition, in der Infrastruktur und im Personalmanagement der Bahn erzählt“, so Rülke. „Hin und wieder ergänzt durch einen Streik oder einen Unfall.“ Besonders ärgerlich – weil vermeidbar – findet Erik Schweickert die hohe Zahl an Fahrzeugstörungen, weswegen im Regionalverkehr 2017 die Hälfte und in 2018 und 2019 40 Prozent der Ausfälle zu verzeichnen seien. „Hier muss deutlich auf den Tisch gehauen werden, dass derartige technische Unzuverlässigkeiten nicht hinzunehmen sind“, so der Enzkreisabgeordnete. „Jeder Auto- oder LKW-Hersteller wäre schon lange insolvent, hätte er binnen gut zwei Jahren rund 500 Ausfälle wegen technischen Schwierigkeiten zu verantworten.“
Zudem seien die Bahn-Kunden alleine in 2017 und 2018 ganze elf Mal von baustellenbedingten Umleitungen betroffen gewesen. Für 2019 ist für Juli zwei Mal eine mehrtägige Umleitung zwischen Stuttgart und Zuffenhausen angekündigt (10.07.19 – 15.07.19 sowie 19.07.19 – 22.07.19).

Positiv zu werten sei immerhin, dass die Bahn für bei Störungen die Nutzung von Fernverkehrszügen auf besagten Strecken freigegeben habe, auch für Reisende mit Nahverkehrstickets. „Darauf haben wir lange gedrängt und das Ergebnis zeigt, dass die Bürger dieses Angebot gerne Nutzen“, so Rülke und Schweickert. 2017 sei die Nutzung in 523 Fällen freigegeben worden, 2018 in 532 Fällen und 2019 bislang in 180 Fällen.

Hinsichtlich einer Verbesserung der Verspätungswerte sei es bei offensichtlich zu knapp berechneten Fahrzeiten zu einzelnen Überarbeitungen im Minutenbereich bei der IRE-Linie Stuttgart – Karlsruhe gekommen. Inwieweit das zu tatsächlichen Verbesserungen geführt habe, stehe nicht in der Antwort Hermanns.
Verheerende Probleme seien anfangs bei den seit Anfang 2017 eingesetzten Bombardier-Loks der Baureihe 147 aufgetreten, so dass zwischenzeitlich wieder auf ältere Modelle umgestellt wurde, um weitere Ausfälle zu vermeiden. Zwischenzeitlich sei wieder größtenteils auf die Baureihe 147 umgestellt worden.
Auffallend sei, dass die künftig von Abellio bzw. Go-Ahead betriebenen Strecken zu den auch nach Juni noch durch die AVG betriebenen Strecken wesentlich bessere Pünktlichkeitswerte aufweisen. Zwar seien 90,5 % im Schnitt auf den künftigen Abellio-Strecken ebenfalls nicht berauschend, allerdings liege die Pünktlichkeitsgrenze hier bei vier Minuten. „Die Pünktlichkeit auf den künftig weiterhin durch die AVG betriebenen Strecken darf allerdings so nicht bleiben. Nur 81 % ist ein äußerst schlechter Wert und trifft vor allem die Reisenden im Enzkreis schwer“, so der Enzkreisabgeordnete Prof. Dr. Schweickert.

Offensichtlich falsch verstanden habe Verkehrsminister Hermann die Frage inwieweit Fahrdienstleister für technische Störungen aufgrund unzureichend getesteter Neuzüge oder veralteten Materials belangt werden könnten. Seine Antwort: „Gar nicht. Fahrdienstleiterinnen und Fahrdienstleiter werden bei der DB Netz AG nach Tarifverträgen bezahlt, die keine Zielvereinbarungen z.B. in Abhängigkeit von der Pünktlichkeit vorsehen.“ Um eine Haftbarmachung der Bahnmitarbeiter sei hier aber gar nicht erfragt worden. „Viel mehr ging es uns darum zu erfragen, ob es Sanktionsmöglichkeiten für die Dienstleister gibt, wenn diese es nicht schaffen, den Beförderungsauftrag anständig zu erfüllen.“